Ulrike und Martin Görtemöller finden Hilfe in Gruppe für trauernde Eltern

„Die Trauer um Annika dominiert nicht mehr den Alltag“

Auch wenn die Trauer um Annika nie aufhören wird, Ulrike (links), Madita und Martin Görtemöller haben zurück in den Alltag gefunden. Unterstützung und Hilfe haben sie bei den trauernden Eltern (begleitet von Marion Tumbrink, 2.v.r.) in Lengerich gefunden.

Wenn Ulrike Görtemöller über Annika spricht, legt sich ein Lächeln über ihr Gesicht - und die Augen leuchten irgendwie besonders. Nicht jede Erinnerung tut nur weh. Und nicht an jedem Tag ist die Trauer gleich. Die 53-Jährige erzählt meist gerne von ihrer Tochter, die mit elf Jahren im Oktober 2020 an den Folgen einer Leukämie gestorben ist. Nach Annikas - trotz langer Krankheit - plötzlichem Tod war der Mutter schnell bewusst: „Ich komme allein damit nicht klar." Ihr Mann Martin und sie haben sich Hilfe gesucht - und diese bei den Trauernden Eltern in Lengerich gefunden, einem Angebot, das Marion Tumbrink betreut und begleitet. Die Pastoralreferentin der Pfarrei Seliger Niels Stensen ist auch da, wenn die große Schwester Madita jemanden zum Reden braucht. Eine Art Begleitung auf Zuruf.

Weihnachten, Silvester - die Feiertage sind schwer. „Wir machen es uns schon schön", sagt Ulrike Görtemöller, ergänzt aber gleich: „Frohe oder fröhliche Weihnachten sind es nicht." Diese oftmals gedankenlos ausgesprochene Floskel als Wunsch fürs Fest empfindet die Westerkappelnerin seit Annikas Tod als unpassend: „Ich bin sensibler geworden, was Sprache angeht." Manche halten das für übertrieben, wissen die Görtemöllers.

Der Austausch mit trauernden Eltern tut ihnen hingegen gut. Auch wenn Martin Görtemöller vor ein paar Monaten für sich beschlossen hat, an den monatlichen Treffen nicht mehr teilzunehmen. Eltern trauern oft unterschiedlich, auch die Görtemöllers. „Jedes Elternteil kann selbstverständlich allein zu den Gruppentreffen kommen", betont Marion Tumbrink. Das gelte auch für Eltern, die sich von ihren Partnerinnen oder Partnern getrennt haben - oft eine Folge des Todes ihrer Kinder. Martin Görtemöller, das ist ihm wichtig, bleibt aber Teil der Gruppe, er möchte die dort geschlossenen Kontakte und Freundschaften nicht abbrechen lassen.

Seine Frau Ulrike fühlt sich in der Gruppe vor allem verstanden: „Wir wissen voneinander, haben eine emotionale Basis und können wirklich nachvollziehen, wie es dem anderen geht." Nach dem Verlust ihrer Tochter habe sie nur wenigen sagen mögen, was in und mit ihr los war.

„Ich habe gedacht, ich wäre für mein Umfeld eine Zumutung und nicht normal. , erinnert sie sich. Dass sie sehr wohl normal ist, haben ihr die anderen trauernden Eltern gespiegelt. Und damit haben sie ihr geholfen, zurückzufinden in einen Alltag, der anders bleiben wird als der frühere: „Die Trauer um Annika kommt immer wieder hoch, aber sie dominiert nicht mehr den Alltag." Ulrike Görtemöller hat sich das Leben ein Stück neu erobert.

Bei den Gruppentreffen ist Zeit und Raum fürs Sprechen, fürs Erinnern. Es wird gelacht und Tränen fließen. Marion Tumbrink achtet darauf, dass jeder in Worte fassen kann, was gerade schwer ist. Oft haben die anderen Gleiches erlebt. Davon zu hören, das macht es leichter.

Gemeinsam haben die Eltern, die aus dem gesamten Kreis Steinfurt und dem weiteren Umland anreisen, eine Kerze gestaltet, auf der die Namen ihrer acht Kinder stehen. „Jeder nimmt zu Beginn die brennende Kerze in die Hand und nennt laut den Namen seines Kindes", beschreibt Ulrike Görtemöller ein liebgewordenes Ritual, „durch das die Kinder mit hineingenommen werden in die Runde".

Die Umstände, die zum Tod der Kinder geführt haben, sind verschieden. Für manche Eltern war kein Abschied möglich. „Das kann traumatisieren", weiß Marion Tumbrink. In diesen Fällen sei für trauernde Angehörige über das Gruppenangebot hinaus weitere Unterstützung hilfreich.

Familie Görtemöller ist mit der Diagnose von Annikas Krankheit offen umgegangen. „Wir haben uns nicht versteckt und sind auch Gesprächen nie ausgewichen", schaut Martin Görtemöller zurück. Trotzdem hat sich ihr Leben nach dem Tod noch mal verändert. „Ich brauche mehr Zeit für mich und bin nicht mehr so unbeschwert", sagt seine Frau. Zwar geht Ulrike Görtemöller inzwischen wieder zu Feiern und Partys, „aber immer mit einer sicheren Fluchtmöglichkeit nach Hause". Bestimmte Lieder triggern sie: „Ich muss dann weg." Viele der anderen trauernden Eltern machen ähnliche Erfahrungen.

Recht schnell nach Annikas Beerdigung ist ihre Mutter wieder zur Arbeit gegangen: „Das war für mich Therapie." Struktur gibt der Familie auch Toni. Annika hatte sich einen Hund gewünscht. Wenige Wochen nach dem Einzug des italienischen Wasserhundes ist sie gestorben.

„Toni war noch ein Welpe, wollte erzogen werden und natürlich auch mehrmals am Tag raus." Ulrike Görtemöller musste sich um ihn kümmern. „Das war gut", sagt sie heute und schaut den fröhlichen Vierbeiner an - lächelnd und auch ein bisschen dankbar.


Text & Foto: Bischöfliche Pressestelle / Gudrun Niewöhner

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